Vorleben

 

Jetzt leben wir seit mehreren Jahren am Roten Meer und immer wieder kommt Interesse an unserem Vorleben auf. Wir haben bereits in 2018 in diesem Blog über unsere Vergangenheit berichtet und waren auf die typischen Fragen in Verbindung mit unserer Auswanderung eingegangen. Da zahlreiche Leser hinzugekommen sind und einige Zeit vergangen ist, gibt es hier eine Neuauflage des ursprünglichen Beitrages. Wir haben dabei die Texte modifiziert sowie weitere Informationen und frühere Fotos hinzugefügt. Die Zusammenstellung hat zu manchem Lächeln geführt und uns erneut bestätigt, dass jeder Zeitabschnitt seinen ganz eigenen Charme hat! 

 

 

Schon vorher war uns klar, dass eine Auswanderung nicht nur Vorteile, sondern auch Verzicht und Ungewissheit mit sich bringen. Betrachtet man die Aufnahmen auf dieser Seite, so handelt es sich überwiegend um Leidenschaften, Hobbys und Besitztümer, die wir in Ägypten in dieser Form nicht haben. Frisur bzw. Haarfarbe und unsere Arbeitskleidung haben sich deutlich verändert, auch fallen Besuche vom HSV, Konzerte, Kino und Gala-Veranstaltungen weg. Ganz abgesehen von Freunden und Familienmitgliedern, die weit entfernt sind. Und dennoch - wir haben all dieses bewusst eingetauscht gegen ein Leben, welches uns deutlich mehr berührt.

  

 

Ein Gast mutmaßte einmal, dass Auswanderer vor irgendetwas flüchten. Wir können nichts zu Beweggründen von anderen Ausbüchsern sagen, aber für uns trifft diese These nicht zu. Im Gegenteil - oberflächlich betrachtet ging es uns sehr gut und wir hatten viele Annehmlichkeiten. Jedoch haben uns der Alltag irgendwann nicht mehr erfüllt und materielle Dinge nicht glücklich gemacht. Hinzu kam die Tatsache, dass wir nur ein Leben haben, Fernweh, die Erfahrungen vieler Reisen und als letzter Auslöser unser halbjährliches Sabbatical außerhalb Europas in 2016. Nun zur Beantwortung der typischen Fragen (und vielleicht auch einer kleinen Hilfe für ähnlich Denkende...):  

   


 

Was habt Ihr vorher beruflich gemacht?

Katy und ich waren beide in Hamburg in der Immobilienbranche bei Grossmann & Berger tätig, einem Unternehmen mit langer Tradition und Marktführer in dem Segment. Nach 15 bzw. 20 Jahren Dienstzugehörigkeit kam bei uns der innige Wunsch nach einem Sabbatical auf. Obwohl wir beide leitende Positionen inne hatten und es eine solche Umsetzung zuvor noch nicht gab, wurde uns die Erfüllung ermöglicht. Dafür sind wir unverändert sehr dankbar. G&B hatte sich den Ausgang natürlich anders vorgestellt, war aber dennoch sehr entgegenkommend und respektvoll beim Umgang mit unserer Kündigung in Verbindung mit einem neuen Lebensziel.  

    

Wie lange kann man als Tauchlehrer arbeiten?

Glücklicherweise gibt es kein Verfallsdatum. Bleibt man gesund, kann man diesen Beruf theoretisch bis ins hohe Lebensalter ausüben. Natürlich würde sich irgendwann die Frage der Akzeptanz stellen. Einige werden wissen, dass ich anfangs unsicher war, ob ich für die Tätigkeit des Tauchlehrers in einer von eher jüngeren Kollegen dominierten Branche zu alt bin. Heute bin ich froh, dem Bauchgefühl gefolgt zu sein. Zu einem späteren Zeitpunkt mag es durchaus interessant sein, selbst die Verantwortung für eine Tauchbasis zu übernehmen und die Erfahrungen aus früheren Leitungspositionen als auch die Leidenschaft am Tauchen mit Freude an Kollegen und Gäste weiterzugeben. 

    

 

Habt Ihr in Deutschland alles aufgegeben?

Im Prinzip ja. Unsere Wohnung inklusive des gesamten Hausstandes haben wir aufgelöst, Verträge und Abo's gekündigt. Einige Dinge, die uns am Herzen lagen, haben wir deponiert und der Rest kam mit sieben Gepäckstücken mit nach Hurghada. Bewahrt haben wir eine Meldeadresse und über einen Nachsendeauftrag landen Schriftstücke bei einer uns vertrauten Person, die wichtige Dinge einscannt und per Mail weiterleitet. Besonders wichtige Zustellungen lassen wir uns mitbringen oder holen sie, sofern nicht eilig, beim nächsten Heimatbesuch ab. Inzwischen geht so gut wie gar keine Post mehr ein.

   

Wie verhält es sich mit Eurer Rente? 

Der Vorteil ist, dass wir die Auswanderung eher antizyklisch betrieben haben. Während viele in jungen Jahren diesen Schritt machen, erfolgte er bei uns im, diplomatisch ausgedrückt, gesetzteren Alter. So haben wir bereits Rentenansprüche gesichert, die in einem Land mit geringen Lebenshaltungskosten (wie beispielsweise Ägypten, Afrika im Allgemeinen oder große Teile von Asien) nach derzeitigem Stand für uns ausreichend wären. Themen wie Abzüge, Versteuerung oder Erwerbsunfähigkeit sind uns vertraut, lassen wir aufgrund der Komplexität in diesem Bericht aber mal außen vor.

  

 

Was geschieht im Krankheitsfall?

Für diesen Fall haben wir zu einem moderaten Monatsbeitrag eine weltweit gültige Krankenversicherung abgeschlossen. Diese beinhaltet unter anderem Schutz auch in schwerwiegenden Fällen und leistet sogar bis zu sechs Wochen bei Behandlungen in Deutschland. Bei bisherigen Arztbesuchen in Hurghada haben wir hervorragende Erfahrungen gemacht. Ob Routineuntersuchung oder notwendiger Zahnersatz - selbst am späten Abend sind Behandlungen auf kompetente Art zu niedrigen Kosten üblich. Als Beispiel sei eine neue Krone genannt für umgerechnet um 100,- Euro oder das erfolgreiche Lasern der Augen eines Kollegen in einer Spezialklinik in Kairo für ca. 300,- Euro!

   

Wie sind Eure Verdienstmöglichkeiten? 

Wir kommen wir mit unserem Einkommen gut zurecht. Zwar können wir nicht die großen Sprünge machen wie noch in Deutschland, jedoch ist der Verdienst ausreichend, um ein Leben nach unseren Vorstellungen zu gestalten. Auf jeden Fall haben wir hier gelernt, den Gegenwert auch von kleineren Summen zu schätzen. Erhalten wir ein großzügiges Trinkgeld, so bedeutet dieses für uns beispielsweise ein Essen in unserem Stamm-Restaurant. Dennoch sind wir froh, unsere Auswanderung mit vernünftigen Rücklagen durchgeführt zu haben, was sich beispielsweise in der verdienstarmen Corona-Zeit als sehr wertvoll erwiesen hat.

   


 

Habt Ihr Haustiere?

Offiziell haben wir keine Fellnasen. Unser Vermieter wünscht grundsätzlich keine Tierhaltung und da wir gern reisen, würde sich die Frage einer Betreuung stellen. Auch wäre die Zeit insbesondere in der Hochsaison recht knapp, um einer bedarfsgerechten Haltung nachzukommen. Inoffiziell betreuen wir momentan ca. 14 Katzen und zehn Hunde. Es sind die Vierbeiner, die bei uns in der Wohnanlage oder bei unseren Spaziergängen mit Leckerlies und Streicheleinheiten versorgt werden. Unsere Lieblingskatze "Kleine" schaut immer wieder vorbei, steht entweder vor der Haus- oder der Balkontür und erwartet Einlass. Nach mehrstündigem Wohlfühlprogramm zieht sie dann wieder von dannen. 

  

Wie sind die Einkaufsmöglichkeiten?

Anders als in Deutschland, aber völlig ausreichend. Genau gegenüber von uns befindet sich ein Lebensmittelmarkt, der Dinge für den Bedarf des täglich Lebens beinhaltet und rund um die Uhr geöffnet hat. Darüber hinaus gibt es etliche Läden mit nachgemachter Ware, aber auch Boutiquen mit originalen Produkten. Bekannt sind die "Senzo Mall" und das "Hurghada City Center", zwei Einkaufszentren mit europäischem Flair. Vieles ist günstiger als in Deutschland, hingegen Artikel, die importiert werden, teurer sind. Ein großer Dank geht an alle Freunde und Gäste, die immer wieder Bestellungen von uns entgegennehmen und entsprechendes aus Deutschland mitbringen! 

     

 

Habt Ihr ein Auto?

Aus mehreren Gründen verzichten wir hier auf einen eigenen Wagen. Eine Anschaffung ist recht teuer und sowohl der Zustand der Straßen als auch die erforderliche, etwas eigenwillige Art des Fahrens im täglichen Verkehr für uns zu stressig. Zur Tauchbasis können wir entweder laufen oder den kostenlosen Transfer nutzen. Für darüber hinaus gehende Strecken nehmen wir ein Taxi zu einem vergleichsweise günstigen Preis. (Sofern wir nicht für Touristen mit der vermeintlichen Chance einer deutlichen Gewinnsteigerung gehalten werden...). Obwohl wir früher große Autonarren mit Vorliebe für Sportwagen, Cabrios oder SUV`s waren, fehlt uns diese Leidenschaft in Hurghada nicht.   

    

Vermisst Ihr nichts?

Eine Auswanderung beinhaltet auch Verzicht. Als erstes sind hier liebgewonnene und wichtige Menschen zu nennen, die wir in Deutschland zurückgelassen haben. Das schöne ist, dass uns sowohl unsere besten Freunde als auch Familienmitglieder in unserer neuen Heimat bereits besucht haben und Wiederholungen geplant sind. Außerdem macht die heutige Technik die Welt ohnehin etwas kleiner. Was andere Dinge angeht (siehe Fotos), gehören wir zu den Menschen, die nicht über das hadern, was nicht ist, sondern sich an dem erfreuen, was man hat. Kälte und Regen bzw. die unterschiedlichen Jahreszeiten fehlen uns unverändert nicht. 

   

 

Bereut Ihr manchmal den Schritt bzw. plant Ihr eine Rückkehr?

Ziehen wir nach all den Jahren des Lebens in Hurghada ein Fazit, so haben wir den Schritt zu keiner Sekunde bereut. Natürlich ist hier nicht alles Gold was glänzt und es gibt schwierige Momente. Und dennoch hat sich unsere Lebensqualität unter dem Strich deutlich verbessert. Wir leben dort, wo andere Urlaub machen, genießen unverändert das tolle Wetter, das Meer und ein Leben frei von Neid und Missgunst, um nur einiges zu nennen. Eine Rückkehr, außer in Verbindung mit Urlaub, ziehen wir daher nicht ins Kalkül. Sollte eine örtliche Veränderung erforderlich sein, so würde vermutlich eher das nächste Land nach uns rufen. 

   

Wieso ausgerechnet Ägypten?

Diese Frage überrascht nicht so ganz. Ägypten wird in den deutschen Medien selten positiv dargestellt. Der Sensationsjournalismus zeichnet meist (schon vor Corona) das Bild eines unsicheren Landes. Ebenfalls beliebt sind kritische Kommentare von Menschen, die noch nie vor Ort waren. Tatsächlich handelt es sich aus unserer Sicht überwiegend um Klischees, die wir so nicht bestätigen können. Ohne Frage ist der Kontrast, aus Deutschland kommend, in vielerlei Hinsicht sehr groß und wir respektieren jeden der sagt: "Ein Leben hier könnte ICH mir nicht vorstellen!". Wir haben auf jeden Fall unser Glück und unser neues Zuhause gefunden!

   


 

Abschließen möchten wir den Blog mit einem Foto aus vergangenen Tagen, welches wir in Hurghada mit Sicherheit nicht nachstellen können. Es ist im Februar 2011 auf der Hamburger Alster an Katy's 40. Geburtstag entstanden. Inzwischen durften wir unsere nächsten runden Geburtstage feiern und Wetter als auch Kleidung haben sich deutlich anders dargestellt!